Ein breites Bündnis fordert ein soziales und ökologisches Modellquartier am Molkenmarkt und ein klares Siegerteam aus dem Werkstattverfahren
Für ein soziales und ökologisches Modellquartier am Molkenmarkt
Berlin, 29. September 2022
Die Entwicklung des Molkenmarkt-Quartiers ist eine große Chance für Berlin. Hier – direkt
hinter dem Roten Rathaus – kann Berlin zeigen, wie ein zukunftsweisendes Quartier unter
den Bedingungen der Bauwende aussehen kann. Hier kann ein Projekt entstehen, das soziale
und ökologische Ziele mit kultureller Vielfalt verbindet. Hier gibt es die Chance, Dinge zu
verwirklichen, an denen es in Berlin einen großen Bedarf gibt – wie bezahlbare Wohnungen,
kostengünstige und flexible Räume für die Kultur.
In den letzten Jahren haben sich an diesem Standort hoffnungsvolle Entwicklungen
vollzogen. Hier wurde zum ersten Mal bewusst ein Innenstadtquartier mit den
Anforderungen der Bauwende konfrontiert. In einem aufwändigen Partizipationsverfahren
wurden dazu 8 Leitlinien erarbeitet, die bezahlbare Wohnungen, kostengünstige
Kulturräume in einer dichten städtischen Umgebung in der historischen Innenstadt mit den
Anforderungen an Klimawandel und Klimaresilienz zusammen bringen. Zudem wurde
beschlossen, dass die landeseigenen Grundstücke nicht privatisiert, sondern durch
landeseigene Wohnungsgesellschaften entwickelt werden sollten.
Das Wettbewerbs- und Werkstattverfahren Molkenmarkt hat gezeigt, dass diese Leitlinien
auch umsetzbar sind. Der Entwurf von OS arkitekter mit czyborra klingbeil
architekturwerkstatt, der in der ersten Wettbewerbsphase prämiert wurde, konnte den
Leitlinien voll entsprechen. Aber auch der zweite prämierte Entwurf von Bernd Albers, Silvia
Malcovati und Vogt Landschaftsarchitekten hat im Verlauf des Werkstattverfahrens eine
stärkere soziale und ökologische Ausrichtung erfahren.
Umso unverständlicher ist, dass diese Verfahren am 13. September 2022 ohne die Auswahl
eines Entwurfs für die Weiterarbeit beendet wurden. Dieses Vorgehen steht im Gegensatz
zur Auslobung, in der es heißt:
„Zum Abschluss des Werkstattverfahrens tritt das Preisgericht erneut zusammen und berät
über die Empfehlung eines der beiden Entwürfe als Grundlage einer Charta für die
Entwicklung am Molkenmarkt.“
Nun will die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen den Rahmenplan
für den Molkenmarkt ohne klare Grundlage erarbeiten. Diese intransparente
Vorgehensweise wird der Bedeutung dieses Ortes nicht gerecht. Die Gefahr ist groß, dass die
Ergebnisse des bisherigen Verfahrens missachtet werden und am Ende ein Entwurf steht,
der den Leitlinien nicht mehr gerecht wird.
Diese willkürliche Beendigung des Verfahrens missachtet die die hohen ideellen wie
ökonomischen Investitionen aller an den Verfahren teilnehmenden Architekten und
insbesondere der Gewinner des Wettbewerbs, die sich mit sehr engagierten Beiträgen auf
das zweite Werkstattverfahren in vollem Vertrauen eingelassen haben. Das Verfahren muss
deshalb, wie in der Auslobung vorgesehen, unter Wahrung der Autorenschaft eines Teams
und mit der Auswahl eines Entwurfs für die Weiterarbeit abgeschlossen, das weitere
Vorgehen transparent gestaltet und die Einhaltung der Leitlinien gesichert werden.
Bei der weiteren Planung müssen die Ergebnisse des Partizipationsverfahrens und des
Wettbewerbs- und Werkstattverfahrens zugrunde gelegt werden. Zu diesen zählen vor
allem:
– klimagerechte Gestaltung mit großen unversiegelten Flächen für die
Regenwasserversickerung, grünen Fassaden und Solarnutzung auf den Dächern
– begrünte, autoarme Straßen mit möglichst vielen Bäumen
– gro.zügige, begrünte Außenräume
– Verwendung von klimafreundlichen Baustoffen und Bautechniken
– flexible Grundrisse, die vielfältige Nutzungen erlauben
– effizientes, bezahlbares und vielfältiges Wohnangebot, kostengünstige Kulturräume
– proaktiver und sensibler Umgang mit der wechselhaften Geschichte des Ortes
Die politisch Verantwortlichen, insbesondere Regierende Bürgermeisterin von Berlin,
Franziska Giffey (SPD) und der Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Andreas
Geisel (SPD) sind nun aufgefordert, das demokratische Verfahren in vollem Umfang
durchzusetzen.
Matthias Grünzig, Theresa Keilhacker, Anh-Linh Ngo, Philipp Oswalt, Matthias Sauerbruch
(Berlin-Plattform, http://berlin-plattform.de)