Anlässlich der aktuellen Debatte um die Neuerrichtung der Bauakademie in Berlin richten sich rund 30 Expert*innen in einem offenen Brief an die Bauministerin Klara Geywitz.
Offener Brief Think-Tank Bauakademie
Berlin, 9. Februar 2023
Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen
Bundesministerin Klara Geywitz
Sehr geehrte Frau Bundesministerin Geywitz,
wir, die Unterzeichner*innen dieses offenen Briefes, nehmen die aktuelle Debatte um die Neuerrichtung der Bauakademie in Berlin zum Anlass, die Ergebnisse des Think-Tank Bauakademie ausdrücklich zu unterstützen. Auf die Einladung der Bundesstiftung Bauakademie hin waren Expert*innen zusammengekommen, um einen Wettbewerb mit einem moderierten Abwägungsprozess für diesen besonderen Ort zwischen Auswärtigem Amt und Friedrichswerderscher Kirche im Zentrum Berlins vorzubereiten.
In der Satzung der Bundesstiftung Bauakademie heißt es: „Die Stiftung soll als zentrale Dialogplattform auf nationaler Ebene mit internationaler Ausstrahlung den gesamten Bereich des Bauens mit seiner gesellschaftlich durchdringenden Wirkung darstellen und als ein Ort der Reflexion, Produktion und Präsentation ein Abbild
der Vielfalt und Visionen des Bauwesens, der Stadtentwicklung, des Wohnens und der Baukultur geben.“
In diesem Sinne sollte das Gebäude ein Demonstrationsprojekt für Nachhaltigkeit und Zukunftsorientiertheit in Bauwesen und Stadtentwicklung werden, an die Innovationskraft Schinkels anknüpfen und auf Schinkels Fundamenten ein Gebäude (wieder-)errichten, das innovativ nach Lösungen in Zeiten der Klima- und Ressourcenkrise sucht.
Wir nehmen den Bundestagsbeschluss von 2016 zur Wiederrichtung der Bauakademie ernst, stellen sieben Jahre danach aber die Frage: Geht es lediglich um die nachgebaute Kopie eines unwiederbringlich verlorenen Originals oder geht es nicht vielmehr um die Wiedererrichtung der Bauakademie als richtungsweisende Institution in ihrer Zeit?
Bei aller Wertschätzung Schinkels, der mit der Bauakademie 1832–36 in historischer Nachbarschaft zweifellos eines der innovativsten Gebäude seiner Zeit geschaffen hat, muss die Frage erlaubt sein, ob der Nachbau einer 190 Jahre alten Fassade im Jahr 2023 der richtige Impuls sein kann.
WIR EMPFEHLEN:
- Die Bauakademie muss einen Ausdruck finden, der die Zukunft des Bauens visuell nach außen transportiert und eine Vorbildfunktion für Bauen in planetaren Grenzen, also klima- und ressourcenangepasstes Bauen einnimmt.
- Das 1,5° Ziel muss eingehalten und sichtbar in Material, Konstruktion und Ästhetik einer neuen Bauakademie werden, dabei kann sich ein zukunftsweisender Neubau durchaus auf Schinkels Original beziehen; so wie es mit den Neuen Meisterhäusern in Dessau gelungen ist, eine präzise Bezugnahme auf Gropius mit einer aktuellen Architekturposition zu verbinden.
- Die Akademie soll städtebaulich im Kontext als dialogische Intervention und Haus mit Charakter, sinnlich und sinnstiftend, mit einem einladenden und offenen Außen in Übereinstimmung mit inneren Funktionen der Stiftung sichtbar werden.
- Die vorhandenen Fundamente der Original-Kellerstrukturen können genutzt und erfahrbar, die Gebäudeecke des ehemaligen Außenministeriums der DDR kenntlich und somit Geschichte erlebbar gemacht werden.
Ein Reallabor sollte gesellschaftliche wie technische Fragestellungen ins Zentrum der Entwicklung des zukunftsweisenden Gebäudes und der Stiftung als Begleiter*in der Bauwende stellen und dabei in allen Phasen eine breite Expertise und die Zivilgesellschaft einbinden. Bei der Entwicklung des Projektes muss über die Anforderungen bestehender Regularien kritisch nachgedacht werden. Dabei kann eine neue „Gebäudeklasse E“ hilfreich sein, um „LowTech Ansätze“ zu entwickeln, sowie eine Verfeinerung von bisherigen Bewertungskriterien beim nachhaltigen Planen und Bauen hin zu einem Materialspeicher mit Ressourcenpass und ohne Abfallaufkommen.
Im Sinne der anspruchsvollen Bauaufgabe des Bundes empfehlen die Unterzeichner*innen einen offenen zweiphasigen Wettbewerb mit niedrigschwelligen Zugangskriterien auszuloben, der in einem ersten Teil vielfältige Ideen im Sinne des Demonstrationsprojektes erlaubt und in einem zweiten Teil die wichtigsten Nachhaltigkeitskriterien und einen innovativen Umgang mit der Rekonstruktionsthematik in einer frühen Phase berücksichtigt und voranbringt; frei nach dem Motto: Die besten Ideen für Berlin, die besten Ideen für eine Akademie mit Vorbildfunktion.
Planung und Bau können als Lehr- und Lernbaustelle für angehende Planer*innen und Handwerker*innen erfolgen, die traditionelles (Planungs-)Handwerk mit zukunftsorientierten Berufsaussichten verbinden wollen. Wissen teilen! – die Bauakademie als ein erlebbarer Lernort mitten in Berlin.
Nutzen Sie die einmalige Chance, dass die Bauakademie zu dem wird, was im Satzungstext steht: „ein nationales und internationales Schaufenster“ und „eine Plattform, welche die gesellschaftliche, technische und kulturelle Innovationskraft des Bauens stärken soll“.
UNTERZEICHNER*INNEN: Offener Brief Think-Tank Bauakademie
Aedes Architekturforum
Gründerin Dr. Kristin Feireiss und Direktor Hans-Jürgen Commerell
AfA-Aktiv für Architektur
Alexander Walter, Sprecher
ARCH+
Anh-Linh Ngo, Herausgeber/Chefredakteur
Architects for Future Deutschland e.V.
Elisabeth Broermann, Architektin
Architektenkammer Berlin
Theresa Keilhacker, Präsidentin
Architektur Galerie Berlin
Ulrich Müller
Berlin International University of Applied Sciences
Prof. Javier Martín, Dean Faculty of Architecture and Design
Bund Deutscher Architektinnen und Architekten B D A
Susanne Wartzeck, Präsidentin
Bund Deutscher Architektinnen und Architekten, Berlin
Julia Dahlhaus, Vorsitzende
Bundesarchitektenkammer (BAK)
Andrea Gebhard, Präsidentin
Bayerische Ingenieurekammer-Bau
Prof. Norbert Gebbeken, Präsident
Dr. Markus Hennecke, Vorstandsmitglied
Bergische Universität Wuppertal, Lehrstuhl Baukonstruktion|Entwurf|Materialkunde
Prof. Anja Rosen
Prof. Annette Hillebrandt
Berliner Hochschule für Technik, FB IV Architektur und Gebäudetechnik
Prof. Petra Vondenhof-Anderhalten, Dekanin
Bundesingenieurkammer
Dr. Heinrich Bökamp, Präsident
Concular
Annabelle von Reutern
Creative Climate Cities
Dr. Nadine Kuhla von Bergmann, Founder & Managing Director
Fachhochschule Nordwestschweiz, Institut Nachhaltigkeit und Energie am Bau
Prof. Andrea Klinge
Haus der Architektur, Graz
Beate Engelhorn, Leiterin
mm+ | merz merz gmbh & co. kg
Prof. HG Merz, Mitglied der Akademie der Künste
Hochschule Bochum, Institut für Architektur Media Management AMM
Prof. Jan R. Krause
Hochschule Wismar, Fakultät Gestaltung, SG Architektur
Prof. Asko Fromm Prof. Jan Blieske
IVAB – Interessengemeinschaft verbandsunabhängiger Architekten*innen Berlin
Andreas R. Graeff, Sprecher
KIT Faculty of Architecture
Prof. Dirk E. Hebel, Dekan
Make_Shift gGmbH
Francesca Ferguson
Bauhaus Erde Executive Director
Prof. Philipp Misselwitz
Plattform Nachwuchsarchitekt*innen
Yasser Almaamoun, Sprecher
Sauerbruch Hutton Architekten
Louisa Hutton, Matthias Sauerbruch, Mitglied der Akademie der Künste
Juan Lucas Young, Vera Hartmann, Jürgen Bartenschlag, David Wegener
Scientists for Future, Fachgruppe Bauen-Wohnen-Habitat
Dr. des. Daniel Fuhrhop Dr. Lorena Valdivia Steel
Technische Universität Berlin
Prof. Sophia Becker, Vizepräsidentin für Nachhaltigkeit
Technische Universität Berlin, Institut für Architektur
Prof. Eike Roswag-Klinge, geschäftsführender Direktor
Technische Universität München Gebäudetechnik und klimagerechtes Bauen
Prof. Thomas Auer
Technische Universität München Chair for Energy Efficient and Sustainable Design and Building
Prof. Werner Lang
Technische Universität München Lehrstuhl für Architektur und Holzbau
Prof. Stephan Birk
Universität der Künste, Institut für Architektur und Städtebau
Prof. Christoph Gengnagel, geschäftsführender Direktor
Werner Sobek
Dr. Stefanie Weidner, Roland Bechmann
Wettbewerbe Aktuell
Die Fachzeitschrift für Architekturwettbewerbe